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Sonntag, 6. März 2016

Havanna! Auszeit! Tortuga!

Eine Lesereise durch Norddeutschland (Teil 1)
Als ich Sonntagabend meine Wohnungstür aufschloß, fühlte ich mich wie ein Seemann. Wie ein Bambuse dritten Grades, der nach langer Fahrt zurück in den Hafen, zu seinen Lieben und der heimischer Kate kommt. Hatte Vielleicht hatte es was damit zu tun, dass die Orte dieser Lesereise bei mir gewisse nautische Assoziationen weckten. Hannover, Bremen, Hamburg. Alles Nordwestdeutschland. Das Meer immer in Riech- und manchmal auch in Sichtweite. Meer haben wir zwar nie gesehen – trotzdem war das Seemanns-Abenteuergefühl in diesen drei Tagen präsent.

Hannover
Der Sprung ins kalte Wasser. Besser gesagt ins kalte Bier. Vom Busbahnhof geht’s direkt nach Linden in die Havana Bar. Dort direkt auf die Bühne. Ich bin ein bißchen stolz, weil ich, der noch nie in Hannover war, den Laden ohne GPS-Support schnell finde. Hinterm Kraftwerk rechts rein und dann links auf der Ecke.
Passt.

Die Veranstaltung ist, als ich mit Rollkoffer und Rucksack in der ganz auf niedersächsisches Südseeflair getrimmten Bar aufschlage, schon im Gange. Die Zuschauerzahl leider überschaubar. Abel sitzt gerade gemütlich beim Bier, auf der Bühne spielen zwei ältere und ein junger Herr mit Gitarre und Cajon die Moritat vom Hannoveraner Serienmörder Fritz Haarmann und ein paar Slimesongs.
Silver-Blitz nennen die sich, verrät mir Abel. Bevor ich mich näher mit dem Sinn dieses Namens auseinandersetzen kann, steht schon das erste Bier vor mir. Das wäre nicht weiter interessant, wäre da nicht die Tatsache, dass ich seit gut drei Jahren so gut wie kein Alkohol en masse trinke. In der Havanabar musste das aber mal sein.
Nach der Musikeinlage macht Abel macht nochmal den Einsteiger, für mich also nochmal zehn Minuten Zeit zur Akklimatisierung. Das, was er da aus seinen Roman „Die Reise zur Grünen Fee“ liest, gefällt mir gut und er hat auch eine unterhaltsame Art, seine Texte vorzutragen. Dann sitze ich da oben und habe einen längeren Slot.
Die ersten Abende einer Lesereise finde ich oft schwierig. Da weiß man nie, nach mehr oder minder langen Bahn- und Busfahrten und sonstigen Anreisestrapazen, wie fit man ist. Muss erstmal reinkommen in die Situation. Um die Unsicherheit hier etwas zu umschiffen, setze ich auf inhaltlich auf Sicherheit und lese ich die Hits aus dem Seemann. So viele Geschichten wie sonst selten auf einer Lesereise. Den Seehund, die kleine Spinne Pup-meets-Darth-Vader, das schönste Geräusch des Tages, die Revolverzähne.
Die fünf Anwesenden sind interessiert, die Gestalten im Raucherraum und am Geldspielautomaten weniger. Aber zumindest vom Gefühl her stimmt's. Und davon ab: Solche widrigen Umstände (kaum Publikum, schlechte Bewerbung, nervige Daddel-Geräuschkulisse) mag ich zwar nicht, ertrage es mittlerweile aber. Macht wohl die Erfahrung und die Tatsache, dass nicht die Vortragenden Schlechtes geben, sondern die Umstände suboptimal sind.

Ein paar Bier nach dem Vortrag machen die Sache noch ganz rund, besonderes weil der Havannawirt sich im Laufe des Abends eine komplette Flasche Jack Daniels alleine reinpfeift und somit von sich aus schon sehr unterhaltsam ist.
Als er das gesamte Sortiment des Flanell'schen Medienimperiums (Renfield-Zine, Stuntman-Buch, Osekre&TheLucky Bastards-7inch) aufkauft, sage ich natürlich nicht nein. Mittlerweile sind auch Aeneas und Max aufgetaucht. Das sind für heute abend unsere Gastgeber. Die wir vorher gar nicht kannten. Klingt jetzt, als hätten die beiden uns nach der Lesung total breit fürwasauchimmer abgeschleppt, aber der Deal stand schon vorher. Alte Couchsurferhasen, die wir sind, wurde das ganze vorher per Mail klar gemacht. Während Aeneas schnell wieder von der Bildfläche verschwindet, hängt Max bis zum Ende mit uns rum. Irgendwann packen wir unser Geraffel zusammen und wanken bei Nacht durch Hannover-Linden. Natürlich mit Wegbier und auch nicht, ohne nochmal in irgendeiner kleinen Kneipe einzukehren, wo ich, ganz enthusiastisch mit dem Wirt eine Lesung klar machen will.

Bei Max angekommen, sind wir erstmal beeindruckt von der partytauglichen Wohnzimmerausstattung: komplettes DJ-Deck dazu diverse Lichtspielereien und Effekte im ganzen Raum – und noch mehr Bier. Sehen heute so die durchschnittlichen Studentenbuden aus? Max kündigt an, erstmal ein wenig Techno aufzulegen. Abel und ich sind recht skeptisch, ob das jetzt so die richtige Musik für uns ist, aber glücklicherweise hat der DJ ein gutes Händchen dafür, was der Situation angemessen ist. Und so gibt es kein mörderisches Geballer, sondern ganz sanfte Beats. In Kombination mit den Lichteffekten im Wohnzimmer wirkt das ganze so entspannend auf mich, dass ich gar nicht mehr von der Couch wegkomme, sondern dort einfach einpenne.

Der nächste Morgen ist... scheiße. Ich weiß, warum ich Alkohol in rauen Mengen hasse. Mir ist schlecht und ich habe Kopfschmerzen und liege komplett in den gleichen miefigen Klamotten wie gestern auf der Couch. Techno gibt es nicht mehr, auch keine Hannoveraner Wohnzimmerlichtspiele. Mein Kater ist ein ziemlich ausgewachsener, ich hoffe inständig, dass ich jetzt nicht kotzen muss. Auftritt Abel, der sieht einigermaßen fit aus, zumindest fitter, als ich mich fühle. Auch Max wirkt, als hätte, der Exzess kaum Spuren bei ihm hinterlassen. Leider kann ich das angebotene und unglaublich gesund wirkende Brötchen nicht wirklich schätzen und mümmele unmotiviert daran rum. Wir lassen den ersten Tourabend nochmal Revue passieren, bewerten ihn trotz der mauen Zuhörerschaft als gelungen und machen uns auf zum nächsten Lesehafen.

Fortsetzung folgt.

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